Kinder und Jugendliche
BEREITS IM MILCHGEBISS KANN EINE KIEFERORTHOPÄDISCHE BEHANDLUNG SINNVOLL SEIN, UM DER ENTSTEHUNG VON KIEFERANOMALIEN VORZUBEUGEN ODER BEREITS BESTEHENDE FEHLLAGEN ZU KORRIGIEREN. DER OPTIMALE ZEITPUNKT ZUR BEHANDLUNG DER MEISTEN ZAHN- UND KIEFERFEHLSTELLUNGEN IST DAS JUGENDALTER, UM DAS KÖRPEREIGENE WACHSTUM ZUR KORREKTUR ZU NUTZEN.
Gründe für eine kieferorthopädische Behandlung
Vermeidung von Karies und Parodontitis
Bei gedrehten oder eng stehenden Zähnen entstehen Schmutznischen, wodurch die optimale Reinigung der Zahnoberflächen erschwert wird. Durch die Einlagerung von Essensresten und bakterienreichen Zahnbelägen ist das Risiko für die Entstehung von Karies und einer Entzündung des Zahnhalteapparates, der sogenannten Parodontitis, erhöht. Eine kieferorthopädische Korrektur von Zahnfehlstellungen hilft durch die Erleichterung der Zahnpflege, Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparats wirksam vorzubeugen.
Vermeidung von Fehlbelastung der Zähne
Zahnfehlstellungen oder Kieferfehllagen können zu einer Überlastung von Zähnen und der erhöhten Abnutzung von Zahnhartsubstanz führen. Durch eine kieferorthopädische Therapie wird eine gleichmäßige Belastung der Zähne beim Abbeißen und beim Kauen erreicht und somit einer Abnutzung der Zähne vorgebeugt.
Verbesserung der Abbeiß- und Kaufunktion
Durch Fehlstellungen von Zähnen und Kiefer kann es zu Einschränkungen der Abbeiß- und/oder Kaufunktion kommen. Gerade das Abbeißen von sehr grazilen Nahrungsmitteln wie z.B. Salatblättern oder einem Schinkenbrot, kann durch Zahn- und Kieferfehlstellungen erschwert sein. Das ist beispielweise bei einem umgekehrten oder stark vergrößerten Überbiss der Fall, ebenso offenen Biss. Durch eine kieferorthopädische Behandlung werden die Zähne und Kiefer in ihrer Fehlstellung korrigiert, sodass Abbeißen und Kauen nicht mehr beeinträchtigt sind.
Vermeidung von Verletzungen oder traumatischem Verlust von Zähnen
Sowohl bei ausgeprägten Kieferfehllagen wie beispielsweise vergrößerten Überbiss, als auch bei nach vorne gekippten Oberkieferschneidezähnen ist das Risiko für Verletzungen der Zähne stark erhöht. Das bedeutet, dass es bei einem Sturz oder Zusammenstoß beim Schul- oder Freizeitsport zu Verletzungen der Zahnkrone oder gar zum Verlust eines oder mehrerer Frontzähne kommen kann. Um dies zu verhindern, ist eine frühzeitige kieferorthopädische Korrektur der ursächlichen Zahn- und Kieferfehlstellungen dringend anzuraten.
Vorbeugung von Atemwegsinfekten, Allergien, Schnarchen und Atemaussetzern
Eine offene Mundhaltung kann anatomisch oder gewohnheitsmäßig bedingt sein, wie beispielsweise bei vergrößertem Überbiss, offenem Biss oder bei stark vergrößerten Rachen- und Gaumenmandeln. Als Folge trocknet die Schleimhaut im Mund aus und wird anfälliger für wiederkehrende Atemwegsinfekte und Allergien. Eine kieferorthopädische Korrektur der Ursache kann die Infektanfälligkeit und das Allergierisiko reduzieren. Ausgeprägte Überbisse oder schmale Oberkiefer können die oberen Luftwege verengen und auch schon bei Kindern das Risiko für Schnarchen und nächtliche Atemaussetzer erhöhen. Tagesmüdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten sind Hinweise auf eine Sauerstoffunterversorgung beim Schlafen. Durch die kieferorthopädische Korrektur der Kieferfehlstellungen kommt es zur Erweiterung der oberen Luftwege und damit zur Reduktion des Risikos schlafbezogener Atemstörungen.
Verbesserung der Ästhetik und des Lachens
Schöne Zähne sind Ausdruck von Gesundheit und Lebensfreude. Sie unterstreichen die persönliche, positive Ausstrahlung. Hingegen können sich Zahn- und Kieferfehlstellungen negativ auf das Körpergefühl und Selbstbewusstsein auswirken. Studien haben gezeigt, dass insbesondere stark nach vorne gekippte Schneidezähne und ein vergrößerter Überbiss die Gesichtsästhetik verschlechtern und in ausgeprägten Fällen sogar Anlass für Hänseleien und Mobbing sind. Eine kieferorthopädische Behandlung kann daher zur Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität führen.
Optimaler Behandlungsbeginn
Im Allgemeinen ist der günstigste Zeitpunkt für eine kieferorthopädische Behandlung, wenn die bleibenden Eckzähne und die kleinen Backenzähne, die sogenannte Stützzone, durchbrechen. Dies ist in der Regel ab dem 9. – 10. Lebensjahr der Fall. Da ein Jugendlicher zu diesem Zeitpunkt am meisten wächst, kann der pubertäre Wachstumsschub auch optimal zur Korrektur von Kieferfehllagen genutzt werden. Häufig haben die Stützzonenzähne nicht ausreichend Platz, korrekt in den Zahnbogen durchzubrechen. Hochstehende obere Eckzähne sind beispielsweise Zeichen für einen Platzmangel dieser Zähne. Um dies zu vermeiden, kann der Durchbruch der bleibenden Seitenzähne kieferorthopädisch gesteuert werden. Dies reduziert in der Folge auch das Ausmaß und die Dauer einer festsitzenden Zahnspangenbehandlung.
Bereits im Milchgebiss oder in der Phase, wenn die bleibenden ersten Backenzähne und die Frontzähne durchbrechen, kann eine kieferorthopädische Behandlung bei ausgeprägten Kieferfehllagen sinnvoll sein. Dies ist insbesondere beim vergrößerten Überbiss, beim offenen Biss oder beim einseitigen Kreuzbiss der Fall. Auch Fehlfunktionen der Zunge oder der Lippen oder schlechte Angewohnheiten wie Daumenlutschen sollten möglichst frühzeitig behoben werden, um ungewollte Folgeerscheinungen an Zähnen und Kiefern zu vermeiden und die Entwicklung eines gesunden Gebisses zu ermöglichen.
Eine rechtzeitige Vorstellung und Beratung beim Kieferorthopäden bringt Sicherheit, wann mit der Korrektur von Zahn- und Kieferfehlstellungen Ihres Kindes begonnen werden sollte.
Im Folgenden finden Sie nützliche Informationen über die verschiedenen Arten von Zahn- und Kieferfehlstellungen, den optimalen Behandlungszeitpunkt, die Gründe für eine Behandlung und die verschiedenen Behandlungsmethoden.
Daumenlutschen
Beim Daumenlutschen wird der Daumen im vorderen Anteil des Gaumens eingelagert und an der Rückseite der oberen Schneidezähne abgestützt. Dies kann mit der Zeit dazu führen, dass die oberen Schneidezähne nach vorne kippen und Lücken zwischen den Zähnen entstehen. Auch werden die bleibenden Zähne daran gehindert, vollständig durchzubrechen. Ein frontal offener Biss entsteht. Durch den erzeugten Unterdruck beim Lutschen wird die Wangenmuskulatur nach innen gesogen und übt von außen einen Druck auf dem Oberkiefer aus. Dies führt häufig zu einem zu schmalen Oberkiefer. Durch die Abstützung des Daumens am Unterkiefer wird dieser zusätzlich in seinem Wachstum gehemmt, so dass ein vergrößerter Überbiss entstehen kann.
Zungenfehlfunktion
In der Ruheposition sollte die Zungenspitze mit etwas Abstand zu den oberen Schneidezähnen im vorderen Bereich des Gaumens liegen. Bei Zungenfehlfunktionen liegt diese meist zu weit vorne, zwischen den Zahnreihen oder zu tief im Unterkiefer. Zahnfehlstellungen wie nach vorne gekippte Schneidezähne und Kieferfehlstellungen wie ein offener Biss können die Folgen sein.
Falsches Schlucken
Beim falschen Schlucken liegt die Zunge nicht am Gaumen, sondern wird zwischen die Zahnreihen gepresst. Dadurch können ebenfalls Zahnfehlstellungen oder Kieferfehlstellungen wie nach vorne gekippte Schneidezähne oder ein offener Biss entstehen.
Lispeln
Beim Lispeln, auch Sigmatismus genannt, lagert sich die Zunge beim Sprechen an die Front- oder Seitenzähne an und führt zu einer fehlerhaften Aussprache des S-Lautes. Ein bestehender frontal offener Biss oder bereits vorhandene Zahnlücken können die Lautbildung zusätzlich erschweren.
Vergrößerter Überbiss
Beim vergrößerten Überbiss besteht eine deutliche Stufe zwischen den oberen und den unteren Schneidezähnen, so dass die Frontzähne nicht mehr zueinander abgestützt sind. Dadurch besteht eine erhöhte Gefahr, dass die vorderen Zähne bei einem Unfall, wie beispielsweise einem Sturz, verletzt oder ausgeschlagen werden. Durch den vergrößerten Überbiss ist die Abbeißfunktion zudem erschwert. Da die Ursache eines vergrößerten Überbisses häufig eine Rücklage des Unterkiefers ist, stimmt auch die Verzahnung der Seitenzähne zwischen Ober- und Unterkiefer nicht. Ein Rückbiss kann sich zudem negativ auf die Gesichtsästhetik in Form eines fliehenden Kinns auswirken. Bei ausgeprägter Rücklage des Unterkiefers kann es zusätzlich zur Verengungen der Atemwege kommen, was Schnarchen und im schlimmsten Fall nächtliche Atmungsprobleme zur Folge haben kann.
Umgekehrter Überbiss
In einem gesunden Gebiss stehen die unteren Schneidezähne knapp hinter den oberen. Bei einem umgekehrten Überbiss ist dies anders herum. Hier beißen die Unterkieferfrontzähne vor die Oberkieferfrontzähne, wodurch die Abbeißfunktion gestört ist. Entweder liegt der gesamte Unterkiefer zu weit vorne, wie bei der sogenannten Progenie, oder der Oberkiefer liegt zu weit hinten. Die Progenie gehört zu den vererbbaren Kieferfehlstellungen.
Offener Biss
Beim Zusammenbeißen sollten sich die oberen und unteren Schneidezähne 2 bis 3 Millimeter überlappen. Ist dies nicht der Fall, so spricht man von einem offenen Biss. Ein offener Biss kann auch im Seitenzahnbereich auftreten. Gründe für einen offenen Biss können Zahnfehlstellungen oder vertikale Wachstumsstörungen von Ober- und Unterkiefer sein. Diese können durch schlechte Angewohnheiten (den sogenannten Habits) wie Daumenlutschen oder durch Zungenfehllagen entstehen.
Tiefer Biss
Bei einem tiefen Biss überragen die oberen Schneidezähne die unteren Schneidezähne mehr als 3,5 mm. In extrem tiefen Bissen kann es zu einem traumatischen Einbiss der unteren Schneidezähne in die Gaumenschleimhaut kommen. Dies kann zu Entzündungen der Gaumenschleimhaut oder zu Schädigungen des Zahnhalteapparates der oberen Schneidezähne führen.
Kreuzbiss
In einem gesunden Gebiss stehen die oberen Seitenzähne weiter außen als die unteren Zähne. Bei einem sogenannten Kreuzbiss ist dies andersherum: die unteren Zähne stehen weiter außen als die oberen. Ein Kreuzbiss kann einseitig oder beidseitig auftreten. Die Ursache ist oft ein zu schmaler Oberkiefer.
Fehlstellungen einzelner Zähne
Unter Fehlstellungen einzelner Zähne versteht man Drehungen und Kippungen von Zähnen nach vorne, hinten, außen oder innen. Es kommt auch vor, dass einzelne Zähne zu weit durchgebrochen sind und somit die anderen Zähne überragen. Sie können auch zu wenig durchgebrochen sein, dann erreichen sie das Niveau der anderen Zähne nicht.
Die Ursachen für Einzelzahnfehlstellungen sind vielfältig: Liegen die Zahnkeime schon falsch im Kieferknochen oder ist nicht genügend Platz im Zahnbogen, so besteht das Risiko, dass sie in einer falschen Position, verzögert oder gar nicht durchbrechen. Auch Unfälle im Milchgebiss können dazu führen, dass die bleibenden Zähne nicht oder falsch durchbrechen.
Zahnengstände
Haben die Zähne nicht ausreichend Platz im Kiefer, kann es zu Überlappungen von einzelnen oder mehreren Zähnen kommen. Diese Überlappungen bezeichnet man als Zahnengstände. Zahnengstände können verschiedene Ursachen haben: In einigen Fällen sind die Zähne zu breit für den Kiefer, so dass sie nicht korrekt nebeneinanderstehen können. Auch kann es durch vorzeitigen Milchzahnverlust zu Vorwanderungen der Backenzähne kommen, wodurch zu wenig Platz für die bleibenden Eckzähne oder die kleinen Backenzähne verbleibt. Des Weiteren können im späten Jugendalter oder beim Erwachsenen Engstände der unteren Frontzähne entstehen. Als Ursache werden späte Umbauvorgänge im Unterkiefer angenommen.
Lücken
Auf einem korrekten Zahnbogen stehen die Zähne nebeneinander und berühren sich. Die Kontakte dienen der optimalen Kaukraftverteilung innerhalb der Zahnreihe. Fehlt dieser Berührungspunkt, kommt es zu Lücken zwischen den Zähnen. Bei Lücken wird die Kaukraft nicht ausreichend auf das Gesamtsystem verteilt. Es kann zur Überbelastung einzelner Zähne kommen oder es bleiben Speisereste zwischen den Zähnen hängen. Auch Schwierigkeiten beim Sprechen, wie zum Beispiel Lispeln, kann durch eine lückige Zahnreihe verursacht werden.
Nicht durchgebrochene Zähne
Ein nicht durchgebrochener Zahn wird als retiniert bezeichnet, wenn er über seinen normalen Durchbruchszeitpunkt hinaus im Kieferknochen verbleibt. Eine Besonderheit bilden verlagerte Zähne: Auch sie brechen nicht in die Mundhöhle durch, allerdings weicht ihre Durchbruchsrichtung stark von der eigentlichen Durchbruchsrichtung ab.
Nichtanlagen von Zähnen
Es kann vorkommen, dass ein oder mehrere bleibende Zähne nicht angelegt sind. Die häufigsten nicht angelegten Zähne sind neben den Weisheitszähnen die zweiten kleinen Backenzähne und die seitlichen oberen Schneidezähne.
Überzählige Zähne
Es können auch zu viele bleibende Zähne angelegt sein, die sich möglicherweise gegenseitig am Durchbruch hindern. Überzählige Zähne kommen sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer vor. Am häufigsten kommt als überzähliger Zahn der sogenannte Mesiodens vor, der sich zwischen den oberen Schneidezähnen befindet.